Reshad Feild

Die spirituelle Bedeutung des Atems und die innere Essenz der Sufi-Lehren

 

Reshad Feild (geboren 1934 als Richard Timothy Feild) war ein englischer Mystiker, spiritueller Lehrer, Musiker und Schriftsteller. Er ist Autor von rund zwanzig Büchern über Spiritualität, das Geheimnis des Atems und die innere Essenz der Sufi-Lehren und hatte seit den 1970er-Jahren einen bedeutenden Einfluss auf Tausende von Sinn suchenden Menschen im Westen. Er ist Vater von drei Söhnen, darunter der bekannte englische Schauspieler JJ Feild [/].

Reshad Feild in seinen jungen Jahren als Marineoffizier und Folksänger.

Fotos © Reshad Feild / Chalice Verlag

Es gibt nur wenige englische Familien, deren gesicherter Stammbaum sich so weit zurückverfolgen lässt, wie die von Reshad Feild. Sein frühester nachweislicher Vorfahr war Hubertus Hugh de la Feld (1030–1092), der aus der Nähe von Colmar im Elsass stammte und im Jahr 1066 an der Seite von Wilhelm dem Eroberer nach England kam. Ein weiterer prominenter Vorfahr, John Field (1522–1587), amtierte als Hofastronom und Astrologe von Königin Elisabeth I.

Als junger Engländer durchlief »Tim«, wie er damals genannt wurde, eine für die britische Upperclass typische Internatserziehung in Eton. Als seine Mutter nach dem frühen Tod seines Vaters erneut heiratete, weigerte sich Tim, seinen angestammten Familiennamen Feild abzulegen und auch aus der Kommunistischen Partei auszutreten, der er damals angehörte. Dies hatte zur Folge, dass er im Alter von 21 Jahren – wie es nur gemäß dem besonderen englischen Nachlassrecht möglich ist – vollständig enterbt wurde und dadurch auf nicht weniger als eines der damals größten Privatvermögen in England verzichten musste.

Nachdem er in der Folge zwei Jahre lang bei der Royal Navy gedient hatte, wurde er Folksänger und reiste singend – als »spiritueller Hippie«, wie man es zu jener Zeit vielleicht ausgedrückt hätte – um die halbe Welt.

Auf seinen Reisen stieß er unter anderem auf eine Derwisch-Bruderschaft: ein Zusammentreffen, das den Beginn einer vollständigen Veränderung in seinem Leben markieren sollte. Wieder zurück in England, kam er in Kontakt mit den Lehren von G.I. Gurdjieff und P.D. Ouspensky [/], während er unter anderem als »singender Kellner« im angesagten Londoner Restaurant Luba’s Bistro auftrat, das von Gurdjieffs Nichte geführt wurde.

Reshad Feild als singender Kellner im Londoner Bistro und mit Dusty Springfield.

Fotos © Reshad Feild / Chalice Verlag

Als er schließlich Tom, dem Bruder der damals noch unbekannten Dusty Springfield [/], begegnete, entfaltete sich seine Karriere als Folksänger über das Kabarett ins Radio und ins Fernsehen. Die drei gründeten zusammen die Folkband The Springfields [/], die im Ver­einigten Königreich schnell Erfolg hatte und es mit dem Song Silver Threads and Golden Needles 1962 als erste britische Band in die Top 20 in den USA sowie auf Platz eins der australischen Charts schaffte.

Tim verließ das Trio aber bereits nach kurzer Zeit, um sich auf weiteren Reisen seinen Studien mystischer und spiritueller Frage­stel­lungen zu widmen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich unter anderem als Antiquitätenhändler. Die Springfields ersetzten ihn durch den Sänger Mike Hurst, bevor sich die Gruppe schließlich auflöste, als Dusty ihre eigene, erfolgreiche Solokarriere startete.

Reshad Feild mit seinem Lehrer Bülent Rauf und auf dem Glastonbury Musikfestival.

Fotos © Reshad Feild / Chalice Verlag

Während jener Zeit lernte Tim Pir Vilayat Khan [/], den Leiter des Internationalen Sufi-Ordens, kennen, der ihn initiierte, ihm den Rang eines Scheichs dieses Ordens verlieh und ihm den Namen »Reshad« gab. In der Folge verließ Reshad das Antiquitätengeschäft und half mit, ein spirituelles Studienzentrum auf der ehemaligen Swyre Farm in Gloucestershire aufzubauen und zu leiten. Dieses lag in unmittelbarer Nähe von Sherborne House, der spirituellen Schule von John G. Bennett, zu dem freundschaftliche Beziehungen bestanden.

Als Name des Zentrums wurde »Beshara« gewählt, und zwar auf Vorschlag jenes Mannes, der mittlerweile Reshads wichtigster spiritueller Lehrer geworden war: Bülent Rauf, ein türkischer-britischer Autor und Übersetzer, der selbst aus einer langen – auf den andalusischen Mystiker Muhyiddin Ibn Arabi (1165–1240) zurückgehenden – ›verborgenen Linie‹ des Sufismus stammte und den Reshad in seinem ersten, autobiografischen Buch Die letzte Schranke – Ich ging den Weg des Derwischs »Hamid« nennt (siehe dazu den Artikel »Beshara: eine frohe Botschaft« im Chalice Magazin).

Dieses in viele Sprachen übersetzte Werk gilt heute als Klassiker der modernen spirituellen Literatur. Es erzählt die spannende Geschichte von Reshad, wie er in einem Antiquitätengeschäft in London auf Bülent trifft, und den Beginn seiner anschließenden abenteuerlichen Reise, die sein ganzes späteres Leben prägen sollte. Einige der Ereignisse im Beshara-Zentrum beschreibt übrigens Reshads damaliger Weggefährte Rafi Zabor in seinem eigenen autobiografischen Buch I, Wabenzi [/].

Reshad Feild mit dem Sufi-Scheich Suleyman Dede in Los Angeles und bei der Zeremonie der drehenden Derwische.

Fotos © Reshad Feild / Chalice Verlag / Siegbert Socher

Im Dezember 1971 reisten Reshad und eine Gruppe von Studenten auf Anregung von Bülent Rauf nach Konya in die Türkei, um die heilige Sema-Zeremonie des Mevlevi-Sufi-Ordens zu studieren, der auch als »die drehenden Derwische« bekannt ist und auf den persischen Sufi-Mystiker Maulana Dschalal ad-Din Rumi (1207–1273) zurückgeht. Während dieses Besuchs freundete sich Reshad mit Scheich Süleyman Dede [/] an, dem hochverehrten langjährigen Koch der Mevlevi-Tekke in Konya, der ihn schließlich in die innere spirituelle Essenz Rumis initiierte und den er später nach Kalifornien einladen sollte.

1973 zog sich Reshad von seiner leitenden Rolle im Beshara-Zentrum in England zurück und wurde von Bülent Rauf angewiesen, nach Vancouver in Kanada zu gehen, wo er ein neues Studienzentrum ins Leben rief. Später wurden weitere Zentren in Kalifornien (siehe dazu den Text über das Institut für bewusstes Leben in Los Angeles), in Boulder (Colorado) und in Mexiko aufgebaut. An all diesen Orten half Reshad unter anderem mit, die Zeremonie der drehenden Derwische in den Westen zu bringen und sie erstmals nach siebenhundert Jahren auch für Nichtmuslime und für Frauen zu öffnen. Dreißig Jahre später, 2008, wurde die Sema-Zeremonie schließlich von der Unesco zum Weltkulturerbe [/] erklärt.

Reshad Feild im Johanneshof bei Luzern, Schweiz, u.a. mit Edith Wallace.

Fotos © Reshad Feild / Chalice Verlag

In den frühen 1980er-Jahren zog Reshad zurück nach Europa, wo er in der Schweiz ein großes Studienzentrum namens »Johanneshof« am Vierwaldstättersee bei Luzern etablierte, in dem er als Berater tätig war. Der Johanneshof wurde international bekannt, und bis zu seiner Auflösung 1996 fanden Hunderte von Menschen aus vielen Nationen ihren Weg dorthin, um in einer brüderlich-schwesterlichen Gemeinschaft auf ihrer eigenen Suche nach dem Sinn des Lebens voranzukommen.

Im Laufe der Jahre wandte sich Reshad – obwohl er Zeit seines Lebens allen authentischen Traditionen mit großem Respekt begegnete – in seiner Lehrtätigkeit immer weiter von der äußerlichen Form ab, die er als »ein lediglich auf bestimmten Etappen der Reise notwendiges Gepäckstück« betrachtete, das, wenn der oder die Suchende entschlossen weiterschreitet, nach und nach zurückgelassen werden kann.

Damit ging er konsequent in jener Richtung weiter, die ihm Bülent Rauf gewiesen hatte mit den Worten:

Wir haben nichts zu tun mit Religion oder Form. Wir sind verbunden mit der inneren Bedeutung, dem inneren Strom der Wahrheit, die aller Religion zugrunde liegt. Unser Weg ist nichts für jene, die über die äußere Form nicht hinauskommen. Er ist für die, die geradewegs zur Essenz gelangen wollen.

Reshad Feild in seinen letzten Lebensjahren in Devon, England.

Fotos © Robert Cathomas & Helga Jacobsen

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Reshad Feild zurückgezogen in England. Auf die Frage, welcher spirituellen Tradition oder Linie er und seine Schülerinnen und Schüler auf dem »Weg der Liebe, des Mitgefühls und des Dienens« folgen, sagte er:

Wir suchen nach Erkenntnis, aber Erkenntnis ist nicht einfach Information. Wir suchen nach Selbst-Erkenntnis. »Wer sich selbst kennt, kennt seinen Herrn.« Man muss lernen, sich aller Etiketts und Schubladen zu entledigen, die in der Vergangenheit vielleicht noch gebraucht wurden. Denn es gibt nur ein einziges Absolutes Dasein. In dem Sinne sind wir ganz einfach nur Menschen des Weges.

Reshad Feild starb am 31. Mai 2016 in Devon. Seine Asche wurde über dem Fluss Dart verstreut, an dem er in seinen letzten Lebensjahren so gerne spazieren ging.